Die wachsende Bedrohung über uns: Das wachsende Problem des Weltraummülls
Autorin: Christina Vogt-Sasse, MIG Capital AG
Seit dem Beginn der Raumfahrtära in den 1950er Jahren und dem daraus resultierenden Boom der New Space Economy steigt die Zahl der Satelliten schneller denn je und damit auch die Menge des Weltraummülls, der die Erde umkreist. Dieser Müll besteht aus inaktiven Satelliten, ausgebrannten Raketenstufen sowie Trümmern aus Zerstörungen und Kollisionen und hat heute eine erhebliche Wichtigkeit erlangt.
Überfüllter Himmel
Bis heute haben wir über 17.000 Satelliten ins All geschickt. Derzeit umkreisen etwa 9.000 aktive Satelliten die Erde, die essenzielle Daten für Kommunikation (Internet, Fernsehen, Radio), Positionierung, Navigation und Zeitmessung sowie Erdbeobachtung liefern.
Satelliten haben typischerweise Lebensdauern zwischen drei und 25 Jahren, abhängig von ihrem Missionstyp und ihrer Umlaufbahn, wobei jene in weiter entfernten Bahnen generell längere Betriebszeiten haben. Am Ende ihrer Lebensdauer erwartet die Federal Communications Commission (FCC), dass US-Satelliten innerhalb von 25 Jahren deorbitiert werden. Für jene in niedrigen und mittleren Erdumlaufbahnen (LEO & MEO) bedeutet dies einen Abstieg zur Erde, wobei sie beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verglühen. Satelliten im geostationären Orbit (GEO) werden hingegen auf einen „Friedhofsorbit“ verschoben, auf dem sie als kosmischer Abfall unendlich kreisen, ohne je zurückzukehren.
Abb. 1: Satelliten in LEO, MEO & GEO
Trotz dieser Pläne wird eine beträchtliche Anzahl inaktiver Satelliten nicht aus der Umlaufbahn entfernt, so dass sie weiterhin den Weltraum verunreinigen und zum wachsenden Problem des Weltraummülls beitragen.
Besonders ausgeprägt ist dieses Problem im LEO, wo sich die meisten Satelliten befinden, was zu einer erhöhten Konzentration von Weltraummüll in dieser Region führt. Allein Starlink plant, seine Satellitenflotte bis 2030 zu verzehnfachen, und wenn man die aktuellen Starlink-Satelliten betrachtet, die heute im LEO kreisen, wird es dort sehr eng werden.
Abb. 2: Starlink Satelliten in LEO (04/2024)
Kollisionsrisiken und das Kessler-Syndrom
Ein Hauptanliegen beim Weltraummüll ist das Risiko von Kollisionen mit aktiven Satelliten und bemannten Raumschiffen, einschließlich der International Space Station (ISS). Selbst kleine Trümmerteile, die mit Geschwindigkeiten von etwa 8 km/s im LEO kreisen, können verheerende Schäden verursachen. SpaceX musste allein in sechs Monaten 25.000 Ausweichmanöver aufgrund von Weltraumschrott durchführen.
Die Unfähigkeit der Satelliten, Trümmer zu erkennen und auszuweichen, macht sie anfällig für Kollisionen. Dies könnte zum Kessler-Syndrom führen: eine Kaskade von Kollisionen, die mehr Trümmer erzeugt, zu weiteren Kollisionen führt und möglicherweise bestimmte Umlaufbahnen unbrauchbar macht, wodurch die Nachhaltigkeit zukünftiger Raummissionen gefährdet wird.
Abb. 3: Das Kessler-Syndrom
Wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Implikationen
Die wirtschaftlichen Implikationen sind hoch. Viele Sektoren sind abhängig von Satellitendaten und müssen die Funktionsfähigkeit ihrer Satelliten jederzeit gewährleisten. Traditionelle Bereiche wie die Navigation für Luftfahrt, Schifffahrt und Straßenverkehr zusammen mit Wettervorhersage, Klimaforschung und Telekommunikation — einschließlich Fernsehübertragung und Internetdienste — bilden das Rückgrat unserer Abhängigkeit von Satellitendaten. Diese Abhängigkeit erstreckt sich auch auf schnell aufkommende Sektoren wie IoT-Geräte, die stets verbunden bleiben müssen oder autonome Fahrzeuge wie Autos oder UAVs, Katastrophenmanagement oder wirtschaftliche Prognosen.
Daher könnten Verlust oder Schäden von Satelliten durch Weltraummüll erhebliche wirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen und globale Dienste stören, die mittlerweile integraler Bestandteil unseres täglichen Lebens geworden sind.
Internationale Bemühungen und Minderungsstrategien
Weltraummüll stellt eine kritische globale Herausforderung dar, die gemeinschaftliche Lösungen erfordert. Angesichts der Schwere der Situation verstärken internationale Raumfahrtagenturen und Organisationen ihre Anstrengungen, um dieses Problem zu adressieren.
Kürzlich führte die FCC neue Deorbitierungsregelungen ein, die vorschreiben, dass alle Satelliten, die ab September 2024 in den USA gebaut oder gestartet werden, spätestens fünf Jahre nach Beendigung ihrer Mission deorbitiert werden müssen. Weitere Maßnahmen umfassen die Entwicklung von Missionen zur Entfernung von Trümmern aus der Umlaufbahn sowie die Verbesserung von Tracking- und Überwachungssystemen, um potenzielle Kollisionen besser vorhersagen und vermeiden zu können.
Besonders groß sehen wir die Notwendigkeit für die Verfolgung von Weltraummüll, weshalb wir kürzlich in Look Up Space investiert haben. Look Up Space bietet Raumschiff- und Trümmertracking an, das mit Weitwinkel-Schussradaren auf der Erde arbeitet, die eine globale Abdeckung und hohe Auflösung bieten. Ihre Radare können ultra-schnelle Objekte ab einer Größe von drei Zentimetern über LEO und MEO überwachen. Wir sind optimistisch, dass die Notwendigkeit für solche Tracking-Dienste weiter wachsen wird, zusammen mit anderen Technologien, die zur nahtlosen Operation von Satelliten im Weltraum beitragen. Dazu gehören beispielsweise Satellitentriebwerkstechnologien, die Deorbitierungs- und Kollisionsvermeidungsmanöver ermöglichen.
Die hohe Aktivität in diesem Sektor wird entscheidend sein, um die langfristige Nachhaltigkeit des Weltraums zu sichern, und wir sind bestrebt, Startups zu unterstützen, die Europa durch die Entwicklung disruptiver Raumfahrttechnologien und das Übernehmen der damit verbundenen Verantwortung als Marktführer positionieren.