mbiomics: Wie das Verstehen des Mikrobioms des Darms künftig in zielgenaue Therapien umgesetzt werden kann
Autor: Dr. Fei Tian, Principal im Bereich Life Sciences der MIG Capital AG
Ein erwachsener Mensch trägt rund ein Kilo Mikrobiom in seinem Darm, das aus rund 10.000 Millionen Genen besteht. Dabei setzt sich dieses Mikrobiom bei jedem Menschen sehr individuell zusammen. Es sorgt dafür, dass dem Körper aus der Nahrung mehr als 15.000 Stoffwechselprodukte zugeführt werden. Das Darmmikrobiom beherbergt die größte Konzentration von Bakterienarten, wobei etwa 100 bis 200 Arten dominieren und viele andere in geringeren Mengen vorhanden sind. Wir wissen heute, dass das Zusammenspiel dieser Bakterien und Bakteriengruppen einen entscheidenden Einfluss auf unsere Gesundheit hat – nicht nur auf die des Darms. Der Zustand des Mikrobiom steht mit verschiedensten Krankheiten wie Krebs, Hirnerkrankungen, Autoimmunerkrankungen und vielen mehr in Verbindung.
Die Forschung steht noch am Anfang
So sehr erkannt ist, welch eminent wichtige Rolle das Mikrobiom des menschlichen Darms für das Wohlbefinden spielt, so sehr steht das konkrete Verständnis der Wirkungsmechanismen noch am Anfang – – die Erforschung ist eine der derzeit aufregendsten Aufgaben der Biomedizin. In dem Maße, in dem es gelingt, das Mikrobiom zu decodieren, werden neue, innovative und punktgenauere Therapien für zahlreiche schwere Erkrankungen möglich. Viele medizinische Bereiche können mit tieferen Erkenntnissen des Mikrobioms neu gedacht werden.
An dieser Entschlüsselung wirkt das 2020 gegründete Münchner Biotechnologie-Startup mbiomics mit.
Einstieg der MIG Fonds
Seit März 2023 sind auch die MIG Fonds ein Teil dieser Reise. Vor beinahe zwei Jahren beteiligten sich die MIG Fonds 16 und 17 an einer 13 Millionen Euro A-Runden-Finanzierung des Spezialisten für Mikrobiom-Therapeutika.
Schon heute kann ein Mikrobiom, das außer Balance ist, behandelt werden. Dafür werden Donoren Teile des Stuhls entnommen, die in aufwendigen Verfahren aufbereitet werden. Patienten können dann mit einer Stuhltransplantation behandelt werden. Allerdings ist dieser Weg der Medikamentengewinnung sehr komplex und stellt die Hersteller vor Herausforderungen. Das Gute an den bisherigen Therapien: Sie haben bewiesen, dass die biologischen Annahmen dahinter funktionieren. Es handelt sich also um eine Brückentechnologie als Basis für weitere Innovationen.
mbiomics arbeitet nun an der neuen Generation von Therapien zur Behandlung des Microbioms. Ziel ist es, im Labor Gruppen von Darmbakterien zusammenzustellen, die Patienten helfen können, ihre Krankheiten zu heilen. In der Fachsprache nennt sich dieser Ansatz skalierbarer synthetischer Bakterienkonsortien „Lebendtherapeutika“ (live bacterial therapeutics), kurz LBT.
mbiomics verfolgt einen Dreistufenplan
Dafür hat mbiomics zunächst eine maßgeschneiderte, hochpräzise bakterielle Profilierungsplattform aufgebaut, die als Grundlage für wirksame mikrobiombasierte Therapeutika dient. Das Start-up aus München betreibt diese firmeneigene Plattform mit computergestützten Techniken wie maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz, um die notwendigen Präzisionsdaten über die Modulation von Mikrobiota zu generieren.
Der Ansatz des Unternehmens, modernste IT-Technologien mit modernster Mikrobiom-Forschung zu kombinieren, ist wegweisend und hat das Potenzial, Behandlungsergebnisse für Patienten erheblich zu verbessern.
Dieser analytische Teil der Arbeit von mbiomics (Stufe 1) ermöglicht es am Ende, ein besseres Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Darmmikrobiom und dem Wirt zu schaffen, sodass wirksame Bakteriengruppen als Therapeutika überhaupt erst entwickelt werden können.
Mit diesem Wissen erfolgt Stufe 2: Die Entwicklung von Produkten, die Patienten dann als Präzisionstherapien verabreicht werden können. Diese Produktentwicklung zur Bekämpfung spezifischer Krankheiten nimmt mbiomics derzeit in Angriff. Hierbei handelt es sich um Bakteriengruppen als erstes Pipeline-Produkt, die Krebspatienten zusätzlich zu herkömmlichen Immuntherapien verabreicht werden sollen, um die Immunität zur Bekämpfung von Krebszellen zu stärken.
Ziel des Unternehmens ist es, im Jahr 2026 mit der klinischen Validierung seines Therapieansatzes zu beginnen. Zu einem späteren Zeitpunkt können neben Krebs dann weitere Indikationen adressiert werden.
Fazit
Mit diesen Aktivitäten gehört mbiomics zu den Vorreitern im Zukunftsfeld der sogenannten synthetischen mikrobiellen Konsortien und leistet damit einen Beitrag zur künftigen Revolutionierung der Behandlung schwerer Krankheiten. Die MIG Fonds begleiten mbiomics auf diesem Weg und unterstützen die anstehenden Schritte in Richtung zu den ersten klinischen Studien und darüber hinaus.